IranSIC Newsletter 23. Januar 2010 – Deutsch
Student Information Center (SIC)
Newsletter Nr. 160 – Samstag, 23. Januar 2010
Pläne für die Zukunft
– Vorbereitungen für die Demonstrationen am 22. Bahman [11. Februar] und die Aktion „Zehn Tage ziviler Widerstand“.
– Gedenken zum 40. Tag nach dem Tod der Märtyrer von Ashura am 16. Bahman
– Gedenken zum 40. Tag nach dem Tod Ayatollah Montazeris am 14. Bahman
– Verstärkung des gewaltlosen zivilen Ungehorsams in der Gesellschaft
– Parolen auf Wände und Geldscheine schreiben
Nachrichten
– SIC: Die französische Version des Student Information Center Newsletters can hier nachgelesen werden:
http://iranlibredemocratique.blogspot.com/2010/01/publications-du-student-information.html
– Radio Farda: Finnland hat am Donnerstag den iranischen Geschäftsträger in Helsinki einbestellt und sich besorgt angesichts der Menschenrechtssituation in Iran geäußert. Dies teilte der Außenminister mit. „Finnland verurteilt die Anwendung von Gewalt gegenüber Demonstranten, die ihr Recht auf Rede- und Versammlungsfreiheit wahrnehmen“, heißt es in einem Statement des Ministeriums.
– Radio Farda: Der britische Botschafter in Teheran Simon Guess hat in einem Interview mit der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA Vorwürfe zurückgewiesen, dass [Großbritannien] sich in die Demonstrationen nach den Präsidentschaftswahlen eingemischt habe. Er fügte hinzu, Kontakte zwischen Angestellten einer ausländischen Botschaft mit Studenten oder Politikern des Einsatzlandes seien überall auf der Welt legal.
– BBC: Abdolhossein Rouholamini, der Vater des bei den Protesten nach der Wahl in Kahrizak ermordeten Mohsen Rouholamini, sagte, dass der frühere Teheraner Staatsanwalt von all seinen Regierungspflichten zurücktreten sollte.
– JARAS: Ayatollah Hossein Arab, ein Mitglied des Zentralrats der „Rohanioon-e Mobarez“ und Lehrer an der Religionsschule Kashan, hat sich in einem Schreiben an den Freitagsprediger von Kashan und früheren Generalstaatsanwalt Irans, Abdonnabi Namazi gewandt und erklärt, militaristisches Vorgehen, die Strategie eines Eisernen Vorhangs und das Regieren durch Einschüchterung der Bevölkerung funktioniere langfristig nicht.
– BBC: Das Ministerium für Kultur und Islamische Führung hat die Zeitungen Ettela’at, Etemad, Asrar, Tose’eh, Jahan San’at, Roozan, Mardom Salari und Bahar davor gewarnt, Mohammad Khatamis Rede zu veröffentlichen. Das Ministerium begründete die Warnung mit Khatamis Äußerungen, dass die Situation in Iran kritisch sei und die Unterstützer der Regierung einer Vereinigung des Landes entgegenarbeiten würden.
– BBC: Parlamentspräsident Ali Larijani bezeichnete die gegenwärtige politische Krise in Iran als Hindernis für die Entwicklung des Landes und drängte auf Lösungen zur Überwindung der Krise.
– BBC: Die iranische Polizei gibt bekannt, dass vor Kurzem 40 weitere Demonstranten im Zusammenhang mit den Protesten von Ashura festgenommen wurden. Die jüngsten Verhaftungen folgten auf die Veröffentlichung von Fotos vieler Demonstranten auf der Webseite der Polizei, verbunden mit der Aufforderung an die Bevölkerung, die Personen auf den Fotos zu identifizieren und der Polizei zu melden.
– BBC: Die Organisation Human Rights Watch hat das fortgesetzte gewaltsame Vorgehen gegen friedliche Aktivisten in Iran nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom Juni 2009 dokumentiert, darunter auch die Verhaftungen tausender normaler Bürger und bekannter Persönlichkeiten. In der Dokumentation enthalten sind auch Berichte über staatliche Gewalt gegen friedliche Demonstranten, willkürliche Verhaftungen von Menschenrechtlern und Misshandlung und Folter in Irans illegalen Haftanstalten.
– JARAS: Der Leiter der Sonderkommission zur Untersuchung der Vorfälle nach der Wahl vom Juni sagte, dem Parlament lägen handfeste Dokumentationen über die Ereignisse nach der Wahl vor, die vom Parlament an das Gericht gegeben werden sollen.
– JARAS:Die Regierung hat das Parlament um Genehmigung einer zusätzlichen Hilfe in Höhe von 15 Millionen Dollar gebeten, um damit das Kapital der regierungseigenen Banken zu verstärken. Die Krise wird zurückgeführt auf wirtschaftliche Fehlentscheidungen der Regierung.
– JARAS: Der Islamische Studentenrat der Amir Kabir-Universität hat als Reaktion auf das gegen Majid Tavakoli verhängte Urteil mit der Forderung nach Freilassung Majid Tavakolis und der anderen inhaftierten Studenten reagiert. „Wenn Leute wie Mortazavi und Radan frei sind und von der Regierung täglich Auszeichnungen und Beförderungen erhalten, wie können wir erwarten, dass Majid Tavakoli und andere politisch aktive Studenten freigelassen werden?“
– JARAS: Mehrere westliche Kino- und Theaterregisseure haben das iranische Fajr-Festival für Kino und Theater boykottiert. Der in Großbritannien erscheinenden unabhängigen Zeitung Asr-e Iran zufolge haben mehrere britische, französische und griechische Regisseure aus Protest gegen die Gewalt gegen Demonstranten nach der Präsidentschaftswahl in Iran ihre Teilnahme an dem Festival abgesagt.
Nachrichten von Verhafteten
– Radio Zamaneh: Familien von verhafteten Mitgliedern der Partei Nehzat Azadi haben sich besorgt über ihre verhafteten Angehörigen gezeigt. Sie haben keine Informationen über ihre Situation im Gefängnis.
– Radio Farda: Am Samstag war der 27. Geburtstag von Neda Agha Soltan. Neda war vor 7 Monaten auf einer Straße in Teheran erschossen worden. Ihr Verlobter Kaspian Makan hatte für ihren Geburtstag zu weltweiten friedlichen Versammlungen im Gedenken an Neda aufgerufen.
– BBC: Berichten zufolge wurden in ganz Iran in den letzten Tagen Dutzende politischer Aktivisten, Studenten und Journalisten verhaftet.
– Jaras: Der frühere Präsident Mohammad Khatami hat mehrere vor Kurzem entlassene Gefangene besucht, die nach der Wahl verhaftet worden waren. Der Besuch folgte auf die Freilassung von Morteza Haji, dem Geschäftsführer der Baran-Stiftung (und Khatamis Wahlkampfmanager in den Präsidentschaftswahlen von 1997) und von Mohsen Safaei-Farahani, einem führenden Mitglied des Zentralkomitees der Partizipationsfront (einer der progressivsten Reformparteien).
– Radio Farda: Amnesty International zufolge ist Habibollah Latifi, ein zum Tode verurteilter iranischer Kurde, in Einzelhaft verlegt worden (ein Schritt, der normalerweise der Hinrichtung vorausgeht). Amnesty warnt, dass er möglicherweise in den nächsten Tagen hingerichtet werden könnte.
[Anm. d. Übers.: Die Geschichte von Habibollah Latifi sowie ein Link zu einer Urgent Action von Amnesty International befindet sich hier]
– Advar News: Mehrere Studenten der Khamran-Universität in Ahvaz/Khuzestan sind am 13. Januar während des Besuchs von Ahmadinejad in Ahvaz angerufen [? „called“] und einige verhaftet worden. Die meisten wurden einen Tag später wieder freigelassen, einer wurde nach vier Tagen freigelassen. Ein studentischer Aktivist jedoch, Sajjad Pirfalak, ist seit diesem Tag im Gefängnis, es gibt keine Informationen über seinen Aufenthaltsort.
Empfehlungen und Warnungen
Mohsen Sazegaras Video vom Donnerstag, 21. Januar 2010
1. Die letzte Rede von Ali Khamenei (dem Obersten Führer) sollte Spaltungen innerhalb der Grünen Bewegung verursachen. Wie ähnliche Erfahrungen aus anderen Ländern nahelegen, hängt der Erfolg der Grünen Bewegung von drei Faktoren ab: Einheit, Massenmobilisierung und Einhaltung des Prinzips der Gewaltlosigkeit. Khameneis Strategie zielt daher auf diese drei Prinzipien ab. Durch großangelegte Verhaftungen, psychologische Kriegführung (gegen die Bewegung) und eine Atmosphäre der Angst wird versucht, die Massenmobilisierung zu untergraben.
Um das Festhalten der Gewaltlosigkeit zu schwächen, wird versucht, die Menschen ungeduldig zu machen und die Bewegung mit Brutatlität zu provozieren.
Bezüglich der Einheit ist Khameneis Strategie darauf ausgelegt, Spaltungen zu schaffen: Spaltungen zwischen in- und ausländischen Regierungskritikern (wie in Khameneis letzter Rede), Spaltungen innerhalb der inländischen Regierungskritiker (Gerücht über Khatamis angeblichen Brief an Khamenei) und Spaltungen innerhalb der ausländischen Regierungskritiker.
Um diese Versuche abzuwehren, sollten wir alle daran denken, dass wir Khameneis Strategie [ohne es zu wissen] immer dann unterstützen, wenn wir uns gegenseitig angreifen, anstatt Khamenei und sein Regime ins Visier zu nehmen. Darum ´sollte niemand mit unangemessenen persönlichen Angriffen das Prinzip „Jeder Kamerad ist ein Führer“ unterminieren. Nach dem Sieg der grünen Bewegung können wir unsere Differenzen an der Wahlurne lösen.
2. Etwa 2000 Soldaten in einer Militärbasis haben (aus Protest) zeitgleich angefangen zu husten, als der Beauftragte Ofiizier für Ideologie und Politik Moussavi und Karroubi mit Talhah und Zubair verglich. (Talhah und Zubair waren enge Vertraute des Propheten Muhammad, die gegen den vierten muslimischen Kalifen und ersten schiitischen Imam Ali nach der Ermordnung des dritten Kalifen Uthman 25 Jahre nach dem Tod des Propheten Muhammad in den Krieg zogen. Sie werden zwar im sunnitischen Islam hoch verehrt, im schiitischen Islam jedoch als Symbole für Betrug und Urteilsschwäche angesehen.)
3. Die ursprünglichen Haftstrafen gegen die beiden kurdischen Regierungskritiker Muhammad Amin Abdullahi und Qader Mohammadzadeh sind vom Berufungsgericht in Todesurteile umgewandelt worden. Dies ist ein Beleg dafür, dass das Regime in Kurdistan weitaus brutaler vorgeht als irgendwo anders. Wir müssen gegen diese Hinrichtungen protestieren.
[Anm. d. Übers.: s. dazu auch diesen Artikel
4. Die Organisation Menschenrechte ohne Grenzen hat in einem kürzlich veröffentlichten Bericht die gerichtliche Verfolgung des iranischen Regimes für dessen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gefordert.
5. In einer kürzlich von iranischen Experten im Iran durchgeführten öffentlichen Meinungsumfrage haben 76% der Befragten einen „Regierungswechsel“ als einzige mögliche Lösung für die Krise angegeben.
Mohsen Sazegaras Video vom Freitag, 22. Januar 2010
1. Iranische Banken und Finanzinstitute haben erklärt, dass bei ihnen insgesamt 48 Milliarden Dollar unbezahlter Kredite existieren, von denen 70% von weniger als 1000 Personen aufgenommen wurden. Diese Banken stehen somit am Rande des Bankrotts. Es wird erwartet, dass die sich verschärfende Wirtschaftskrise, der nach dem Wegfall der Regierungssubventionen erwartete Anstieg der Inflation auf mehr als 40%, das Absinken des Rial-Wechselkurses und die wahrscheinliche Streichung von drei Stellen in der Nationalwährung und Freisetzung von Devisen [? „freeing monetary exchanges“] dazu führen werden, dass der Wechselkurs Dollar/Rial auf nie dagewesene 30.000 bis 40.000 Rials für 1 Dollar ansteigen wird.
Aus diesem Grund lösen so viele Menschen zur Zeit ihre Einlagen auf und legen das Geld in Devisen, Gold und anderen Gütern an.
2. Nach jeder Massendemonstration hofft Khamenei verzweifelt, dass er mit seinen großangelegten Verhaftungsaktionen und der Verbreitung von Angst die Menschen davon abhalten kann, wieder auf die Straße zu gehen. Bisherige Erfahrungen zeigen jedoch deutlich, dass diese Demonstrationen sich mit Verhaftungen und Gewalt nicht verhindern lassen.
3. Etwa 30 Intellektuelle und Autoren haben in einem veröffentlichten Statement unterstrichen, dass es für einen (sanften) Übergang zur Demokratie nur einen Weg gibt, nämlich ein Referendum.
4. Die Fernsehdebatten sind mittlerweile nur noch ein Witz. Mit der Ausstrahlung derartiger Debatten wird nur noch deutlicher, wie dumm dieses Regime ist.
5. Angehörige von politischen Gefangenen haben sich am vergangenen Donnerstag vor dem Büro der Generalstaatsanwaltschaft am Teheraner Revolutionsgericht (aus Protest) versammelt.
6. Angestellte der Firma Pars Niroo in der Provinz Fars haben mit einer Schweigekundgebung dagegen protestiert, dass sie in den letzten neun Monaten keine Gehälter ausgezahlt bekommen haben.
7. Ahmadinejad hat bei einem privaten Treffen von Basijis in Khuzestan erklärte, dass alle an Ashura (gegen Demonstranten) verübten Gräueltaten und Verbrechen direkt von Khamenei angeordnet waren.
8. Experten haben in vier Provinzen Irans eine öffentliche Umfrage durchgeführt. Auf die Frage „Wie wird sich ein Regimewechsel vollziehen?“ antworteten 22% der Befragten, ein Regierungswechsel in naher Zukunft sein unwahrschienlich, 25% sagten, ein Regimewechsel würde stufenweise geschehen (Amtsenthebung Ahmadinejads, Einsetzung einer Interims-Regierung, Referendum), 19% halten einen schlagartigen Regimewechsel für wahrscheinlich, und 34% sagen, was letztlich herauskomme, hänge vom Verhalten des Regimes und anderen (unvorhersagbaren) Faktoren ab.
Mohsen Sazegaras Video vom Samstag, 23. Januar 2010
1. Die Banken Melli und Mellat werden Bankrott gehen, wenn die iranische Regierung sie nicht rettet. Weiterhin wird berichtet, dass die Regierung wieder zwei Wechselkurse für den Rial einführen will [? „the government is intending to reinstate bi-rate exchange for Rial“].
Der Wechselkurs für den Rial wird weiter fallen, und es ist möglicherweise klüger, alle Einlagen in andere Währungen umzuwandeln. Dies kann auch eine sehr effektive politische Aktion sein.
2. Es gibt Gerüchte, dass Angehörige führender Regimemitglieder politisches Asyl beantragt haben sollen. Verstärkter Druck auf Offizielle seitens ihrer eigenen Familien könnte dazu beitragen, dass diese schließlich ihr Verhalten ändern.
3. Heute ist der Geburtstag der verstorbenen Neda Agha Soltan (der jungen Frau, die bei den Demonstrationen am 20. Juni in Teheran erschossen wurde).
4. Es scheint, als ob die Beziehungen zwischen Teheran und Moskau in den letzten Monaten abgekühlt sind. Es ist durchaus möglich, dass diese Veränderungen in den Beziehungen auf Russlands Seite damit zu tun haben, dass Russland von den Vorgängen in Iran weiß.
5. Freitags-Imame in ganz Iran versuchen, bei den Freitagsgebeten Zwietracht zwischen in- und ausländischen Aktivisten zu säen.
Email: student.information.center@gmail.com
Tel: +1 (253) 234-IRAN , +1 (253) 234-4726
Join the mailing list: http://groups.google.com/group/student-information-center/
Twitter: IranSIC
http://www.iransic.com/
Deutsche Übersetzung: Julia
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Zusätze:
1. Ergänzende Artikel in deutscher Übersetzung englischsprachiger Blogs, Artikel und Nachrichten zum Thema jenseits der internationalen Massenmedien: Julias Blog
2. Projekt „German Media for Iranians in Iran“
Unterstützung für Iraner in Iran, Druck auf das Regime
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3. Aktionen, Informationen und Termine von United4Iran Deutschland: http://www.united4iran.de/
4. Sammlung aller aktuellen UN-Petitionen zum Iran (mit freundlicher Genehmigung von @nedaagain): http://petitionsforiran.wordpress.com/