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@IranSIC Newsletter 16. Januar 2010 – Deutsch

16. Januar 2010

Student Information Center (SIC)
Newsletter Nr. 157 – Samstag, 16. Januar 2010


Pläne für die Zukunft

– Verstärkung des zivilen Ungehorsams in der Gesellschaft
– Parolen auf Wände und Geldscheine schreiben

Nachrichten
– Deutsche Welle: Iran wird SMS und E-Mails beobachten, mit denen Demonstranten zur Teilnahme an Protesten aufgerufen werden. Dies teilte eine halboffizielle iranische Nachrichtenagentur am Freitag mit. Nachrichten, in denen zu Protesten aufgerufen wird, werden erfasst, und Organisatoren illegaler Proteste müssen mit harten Strafen rechnen, teilte die Iranische Labor News Agency (ILNA) unter Berufung auf Teherans Polizeichef Ahmadi Moghaddam mit. Der IT-Experte Mahmoud Tajalli sagt jedoch, eine E-Mail, die mit bestimmten Codes geöffnet wird, ist nicht kontrollierbar. Mehr Informationen dazu (auf Persisch) befinden sich im Anhang zum Original-Newsletter.

– Radio Farda: Der Führer der Islamischen Revolution, Ayatollah Seyyed Ali Khamenei, hat am Freitag sein Beileid über die Ermordung eines iranischen Atomwissenschaftlers ausgedrückt. Er sagte: „Die kriminelle Hand hinter diesem Unglück hat das Motiv der Feinde der Islamischen Republik Iran zum Vorschein gebracht, nämlich dem wissenschaftlichen Fortschritt des Landes einen Schlag zu versetzen“, sagte der Führer. Er sagte, iranische Wissenschaftler und Forscher würden nicht zulassen, dass die Feinde die wissenschaftliche Entwicklung der Nation behindern.

– Norouz: Im Haus von Seyyed Ali Moussavi, dem ermordeten Neffen Mir Hossein Moussavis, fand am Donnerstag die Komeil-Zeremonie statt.

– Deutsche Welle: Die Fernsehdebatte von Alireza Zakani und Javad Etaat sorgten bei den Zuschauern von IRIB-Kanal 3 für eine Überraschung. Javad Etaat sagte in dieser Debatte, er unterstütze Moussavi und sei mit der Wirtschafts-, Kultur- und Sozialpolitik der derzeitigen Regierung nicht einverstanden. Die Frage zur Regierungskundgebung vor drei Wochen beantwortete er nicht; stattdessen drückte er seine Unterstützung für Moussavi und Karroubi aus. Er kritisierte IRIB für dessen Haltung zur Opposition und sagte, die Proteste seien nicht nur das Ergebnis der letzten Wahl, sondern auch eine Folge der Wirtschafts-, Kultur- und Sozialpolitik der Hardliner der vergangenen 5 Jahre.
Anm. d. Übers.: Übersetzungen von Auszügen dieses bemerkenswerten und lesenswerten Interviews finden sich hier:

Teil 1

Teil 2

Teil 3

– Voice of America: Der hochrangige iranische Gesandte der Islamischen Republik Mohammed Reza Heydari ist von seinem Amt zurückgetreten und hat Teheran für das brutale Vorgehen gegen Demonstranten im vergangenen Monat verurteilt, bei dem mindestens 8 Menschen von Sicherheitskräften getötet wurden. Heydari rief andere iranische Diplomaten auf, seinem Beispiel zu folgen.
Leseempfehlung dazu: Übersetzung eines Interviews mit Heydari mit dem norwegischen Fernsehen NRK

– Deutsche Welle: Asadollah Badamchian, Parlamentsabgeordneter für Teheran, hat in einem Interview mit RASA den Prozess von Gewalt und Isolation in der grünen Bewegung erklärt und über die mögliche Ermordung der Führer der grünen Bewegung gesprochen. Die Nachrichtenagentur RASA gehört einer Gruppe Studenten der Hawzah in Qom und steht Ayatollah Mesbah Yazdi nahe.

– JARAS: Ahmad Reza Dastgheib, Parlamentsabgeordneter für Shiraz, hat den Umgang mit Ayatollah Dastgheib kritisiert. Er sagte: „Jeder, der logisch und effektiv denkt, sollte sich der Gewalt enthalten und Leben und Eigentum von Menschen schützen, um zu verhindern, dass eine kleine anarchistische Gruppe Anarchie und Gesetzlosigkeit etabliert und damit die Unabhängigkeit des Landes gefährdet.“

– JARAS: Der ehemalige Befehlshaber der Revolutionsgarden General Sarayi forderte Respekt und Zurückhaltung gegenüber den Geistlichen.

– JARAS: Auf dem 10. Allameh-Helli-Symposium erklärte Justizchef Sadegh Larijani, die Welle westlicher philosophischer Bücher, die ins Persische übersetzt werden, müsse aufgehalten werden.

– Radio Farda: Mohammad Mohammadi Reyshahri, ehemaliger Berufener des Obersten Führers in der Behörde für Hajj und Pilgertum, sagte in seiner Abschiedsrede, ohne dabei die Ereignisse nach den Wahlen explizit zu erwähnen: „Es ist sehr wichtig, dass wir versuchen, unsere Feinde und Gegner zu unseren Gefährten zu machen.“

Nachrichten von Verhafteten, Vermissten und Verstorbenen
– Radio Zamaneh: Noushin Ebadi, die Schwester von Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, ist nach zweiwöchiger Haft entlassen worden.

– Deutsche Welle: Nach mehreren Monaten im berüchtigten Evin-Gefängnis haben Azar Mansouri, Davoud Soleimani und Mahdi Mahmoudian von der Reformpartei der Partizipationsfront ihre Verhandlungstermine erhalten. Wie der Nachrichtenseit der Generalstaatsanwaltschaft Teheran zu entnehmen ist, sind auch die Fälle von Issa Saharkhiz, Mohammad Reza Rajabi, Hadi Arab Qobadi und Amir Ali Aghayari dem Revolutionsgericht übergeben worden.

– Norouz: Die Ehefrau von Seyed Ali Moussavi, dem an Ashura erschossenen Neffen Mir Hossein Moussavis, hat das Engagement ihres verstorbenen Ehemannes für die Grüne Bewegung und das Vermächtnis der Märtyrer der Freiheit hervorgehoben. Sie sagte: „Ich hoffe, dass die Wahrheit sich dem Volk zeigen wird und dass das Blut der Märtyrer nicht vergebens geflossen ist.“

– Norouz: Mehrere Familien von politischen Gefangenen haben am Freitag die Familie von Seyed Alireza Beheshti besucht. Alireza Beheshti ist einer der Chefberater von Moussavi, der im Zuge der großangelegten Verhaftungen nach den Demonstrationen von Ashura verhaftet worden war. Für Beheshti ist dies bereits die zweite Verhaftung innerhalb der letzten sieben Monate.

–  Adwar News: Obwohl seit der Verhaftung von Abdollah Momeni, dem Sprecher der Iranischen Alumni-Gesellschaft (einer führenden reformorientierten politischen Aktionsgruppe) schon sieben Monate vergangen sind, konnte sein Anwalt, Dr. Mohammad Sharif, ihn noch immer nicht treffen. Es ist ihm noch nicht einmal gelungen, eine offizielle Anwaltserlaubnis zu bekommen.

– JARAS: Nach den großangelegten Protesten von Ashura, die große internationale Medienbeachtung fanden, geben neue Nachrichten über Ashura-Häftlinge wiederum Anlass zur Besorgnis. Offiziell sind nach Ashura 300 Menschen verhaftet worden; unabhängige Quellen sprechen hingegen von etwa 1500Verhafteten.

– JARAS:  Die Ehefrau von Abolfazl Qadyani macht sich Sorgen um das körperliche Wohlbefinden ihres Ehemannes. In einem Gespräch mit Parleman News (der offiziellen Webseite des reformorientierten Gremiums im iranischen Parlament) sagte sie: „Wir haben keine Information darüber, wo und wie Herr Qadyani festgehalten wird, und dieser Umstand beunruhigt uns sehr.“

– Radio Farda: Das Teheraner Revolutionsgericht hat die endgültigen Urteile über sechs Inhaftierte gefällt, die angeklagt sind, „die Werte der Islamischen Revolution verletzt zu haben.“ Iranischen Nachrichtenagenturen zufolge sind die Betroffenen für (sogenannte) Vergehen wie „Versammlungen und Verschwörungen gegen die nationale Sicherheit“, „Beleidigung hoher Regierungsbeamter“ und „Störung der öffentlichen Ordnung“ zu Bußgeldern und Haftstrafen verurteilt worden.

Empfehlungen und Warnungen
Mohsen Sazegaras Video von Donnerstag, dem 14. Januar:
– Wir müssen uns bestmöglich darum bemühen, die Beerdigung von Dr. Ali Mohammadi abzuhalten.
– Der Streik der Arbeiter der Fabrik Avangan-e Arak geht weiter. Er ist eine Reaktion auf die Unfähigkeit des Energieministeriums, die Produkte der Fabrik abzunehmen. Dasselbe Problem besteht auch für andere Fabriken, die ihre Produkte an die Regierung verkaufen.
– In dem von Studenten des Technischen Instituts der Teheran-Universität veröffentlichten Newsletter „Der Grüne Streik“ wurde angekündigt, dass die Studenten nicht zu ihren Prüfungen erscheinen werden, bis die inhaftierten Studenten freigelassen sind.
– Bei den Demonstrationen zum 22. Bahman (Jahrestag der Islamischen Revolution, 11. Februar) wird die Grüne Bewegung den vom Regime vorgeschriebenen Bahnen folgen. Diese großen Aktionen werden das Regime verwirren. Sollte das Regime auf militärische Kräfte zurückgreifen, kann die Bewegung mit Eiern oder Farbballons darauf reagieren.
– Die Bevölkerung von Kurdistan muss Druck auf die Regierung ausüben, um die Hinrichtung von Farzad Kamangir zu verhindern. Mögliche Aktionen wären z. B. die Schließung der Geschäfte. Die Bewegungen in anderen Provinzen müssen die Kurden unterstützen.
– Gewaltfreier Widerstand erfordert nicht zwangsläufig einen charismatischen Führer, es gibt weltweit Beispiele, die dies bestätigen.

Mohsen Sazegaras Video vom Freitag, 15. Januar:
– Die Beerdigung von Dr. Ali Mohammadi fand im Beisein von Sicherheitskräften und Milizen in Zivil statt, die versuchten, diesen Märtyrer der Bewegung für sich zu beanspruchen.
– Wenn das Regime versucht, Studenten mit Drohungen, Nichtbestehen von Kursen, Universitätsverweisen und Gefängnisstrafen unter Druck zu setzen, brauchen wir Einigkeit und Widerstand, um siegen zu können. Wir müssen daran denken, dass das Regime versuchen wird, die Bewegung zu spalten und die Aktivisten zu bedrohen und zu ergreifen.
– Auch Fatemeh Goodarzi hat sich entschlossen, nicht als Jurymitglied beim Fajr-Filmfestival mitzuwirken. Wir sind den Künstlern, die das Volk unterstützen und die Kollaborateure des Regimes bloßstellen, zu Dank verpflichtet.
– Die Ausstrahlung der Sendung „Path Towards Tomorrow“ (etwa „Weg in die Zukunft“) auf Kanal 3 kann als Sieg der Bewegung gewertet werden und ist erfreulich. Das Regime denkt, durch eine relative Öffnung der politischen Situation und die Verbreitung einiger Standpunkte der Opposition im Fernsehen könnte Demonstrationen ersetzen und die Bevölkerung beruhigen. Die Geschichte zeigt allerdings, dass dies ein Irrglaube ist. Diejenigen, die zu diesen Sendungen eingeladen werdne, müssen die Instrumente des Regimes nutzen, um die Stimme der Bewegung hörbar zu machen.
– Es gibt Befürchtungen über Proteste in der Ölgesellschaft und in ihr angeschlossenen Firmen, weil sie die Auftragnehmer nicht bezahlen können.
– Die Frage „Ist gewaltfreier Widerstand genug für das Regime?“ beantworte ich wie folgt: Gewaltfreier Widerstand hat nicht nur einen moralischen Vorteil. Durch gewaltfreien Widerstand können wir auch erreichen, dass das Regime aufgibt und versagt, und diese Methode ist wirkungsvoller als alle anderen.

Mohsen Sazegaras Video vom Samstag, dem 16. Januar:
– Nachdem mehrere Trauernde Mütter letzte Woche verhaftet wurden, ist es sehr wichtig, dass wir ab jetzt versuchen, jeden Samstag Abend zu ihnen zu stoßen und sie zu unterstützen.
– Manche (grünen) Mitstreiter besuchen die Gräber der Märtyrer der Grünen Bewegung und machen Fotos und Videos davon, wie sie ihnen Ehre erweisen. Wir sollten daran denken, dass die Dokumentation unserer Aktivitäten eine der wichtigsten Komponenten der Grünen Bewegung ist.
– Die meisten Arbeiter haben große finanizelle Problemme. Wir müssen daran denken, dass die Grüne Bewegung Arbeiter und Gewerkschaften immer unterstützen sollte.
– Da der Hauptserver für das Senden und Empfangen von SMS vom IRGC kontrolliert wird, können sie die Inhalte von gesendeten Textbotschaften überwachen. Wenn aber Millionen von Textbotschaften gleichzeitig abgesetzt werden, ist das Mitlesen und Überwachen selbst mit hochentwickelter Technologie schwierig. Wir sollten jedoch bedenken, dass vertrauliche Inhalte und sensible Informationen NIEMALS per Telefon oder SMS weitergegeben werden sollten. Der Weg über E-Mail ist wesentlich sicherer, insbesondere Gmail bietet (infolge des von Gmail benutzten https-Protokolls) erhöhte Sicherheit.
– Chinesische Jugendliche haben auf Twitter mit der Parole „Heute in Teheran, morgen in Peking“ ihre Solidarität mit der iranischen Jugend bekundet.
– Das Regime verfolgt eine Politik nach dem Motto „Zuckerbrot und Peitsche“. Einerseits erfolgen großangelegte Verhaftungen von Dissidenten, andererseits werden live-Debatten im Fernsehen ausgestrahlt. Universitätsstudenten können sich diesen Umstand zunutze machen und Debatten an den Universitäten organisieren. Wenn das Regime dagegen vorgeht – was ich für wahrscheinlich halte – werden die wahren Absichten des Regimes entlarvt. Man muss bedenken, dass alle Versuche der Regierung sich als vergeblich herausstellen werden, wenn am 11. Februar Millionen Menschen auf die Straße gehen werden.
– Zwei Punkte: Wer von euch am 11. Februar in seiner Heimatstadt eine Demonstration organisieren kann, sollte das unbedingt tun, denn solche Demonstrationen zwingen das Regime dazu, seine Ressourcen landesweit zu streuen (was wiederum ihre Schlagkraft beeinträchtigen wird). Wer nicht in seiner eigenen Stadt demonstrieren kann, sollte versuchen, nach Teheran oder in andere Großstädte zu fahren und sich den dortigen Demonstrationen anzuschließen.
Der zweite Punkt: Manche glauben, dass „ziviler Ungehorsam“ sich nur sehr langsam auf die Putschregierung auswirkt. Dies ist nicht richtig. Viele historische Beispiele belegen, dass ziviler Ungehorsam sehr viel schneller wirkt als der Kampf mit Waffen und Gewalt.

Email: student.information.center@gmail.com
Tel: +1 (253) 234-IRAN , +1 (253) 234-4726
Join the mailing list: http://groups.google.com/group/student-information-center/
Twitter: IranSIC
http://www.iransic.com/
Deutsche Übersetzung: Julia

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Zusätze:

1. Ergänzende Artikel in deutscher Übersetzung englischsprachiger Blogs, Artikel und Nachrichten zum Thema jenseits der internationalen Massenmedien: Julias Blog

2. Projekt „German Media for Iranians in Iran“
Unterstützung für Iraner in Iran, Druck auf das Regime
Mehr erfahren
auf Facebook unterstützen

3. Aktionen, Informationen und Termine von United4Iran Deutschland: http://www.united4iran.de/

4. Sammlung aller aktuellen UN-Petitionen zum Iran (mit freundlicher Genehmigung von @nedaagain): http://petitionsforiran.wordpress.com/

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